Werden Cannabisclubs in der Schweiz bald Realität?

Werden Cannabisclubs in der Schweiz bald Realität?

Lange Zeit galt die Schweiz als fortschrittliches Land, was die Anwendung der Drogen- und ganz speziell die Cannabisgesetze angeht. Man sah das Land der Eidgenossen schon früh auf einem Level mit den Niederländern. Mittlerweile wird der Besitz und Konsum von bis zu 10 Gramm Cannabis „nur“ mit einem Bußgeld belegt, man muss also nicht befürchten, sich beim Besitz eine Vorstrafe „abzuholen“ oder mit massiven Strafen belegt zu werden.

Und genauso verhalten sich die Schweizer allem Anschein auch, denn dem Konsum wird weitestgehend ungehemmt gefrönt – selbst wenn die Zahlen der Kiffer im Landesschnitt leicht rückläufig sind.

Aktuell sind es einige schweizer Städte, die auf der Suche nach einem Weg sind, Cannabis vollkommen legal abzugeben – mit Hilfe von sogenannten Cannabisclubs, wie man sie auch schon aus den Niederlanden oder Spanien kennt. Doch wie soll das jetzt in der Schweiz genau funktionieren?

Cannabisclubs als Problemlösungsansatz?

Wer jetzt allerdings schon jubelt, dass man bald gemütlich im Urlaub in der schönen Schweiz hemmungslos Cannabis konsumieren darf, der irrt sich gewaltig. Die Städte sind fieberhaft auf der Suche nach einer Gesetzeslücke, mit der sie die Gesetze – zumindest kurzfristig – umgehen können, und sie scheinen dieses Loch in den Gesetzen auch tatsächlich gefunden zu haben. Laut dem Schweizer Betäubungsmittelgesetz (BetmG) darf nämlich das Bundesamt für Gesundheit eine Ausnahmebewilligung für den Anbau, die Einfuhr, die Herstellung und das Inverkehrbringen im Rahmen wissenschaftlicher Forschungen erteilen.

Und genau das planen die Städte: Man will mit der Ausnahmegenehmigung die Cannabis-Abgabe durch Vereine testen und zwar im Rahmen verschiedener Studien. Bei den Tests soll erörtert werden, ob und wie durch eine Entkriminalisierung von Cannabis der Risiko-Konsum reduziert werden könne. Und dies sind eben Dinge, die nur in der täglichen Praxis belastbare Ergebnisse bringen.

Dafür sollen in einigen Städten – unter anderem Genf – wissenschaftlich begleitete Tests mit verschiedenen Kategorien von Cannabis-Konsumenten durchgeführt werden. Allerdings ist noch unklar, welche Versuche unter welchen Bedingungen in welcher Stadt stattfinden sollen. Diese „Kleinigkeiten“ wollen die betroffenen Städte jedoch schon im Verlauf der nächsten Woche klären.

Es soll vier Versuchsgruppen geben

Um den Cannabis-Konsum und seine (möglichen) Auswirkungen umfassend erforschen zu können, müsse man die Teilnehmer an den Studien in verschiedene Kategorien einordnen – unter anderem auch in Jugendliche. Hier müssen die Wissenschaftler allerdings sehr vorsichtig vorgehen, denn für Jugendliche ist selbst der Konsum und Besitz von geringen Mengen eigentlich verboten. Und doch wäre eine solche Studie ohne Hard-Facts zum Konsum und der Wirkungsweise bei Jugendlichen im Grunde fast wertlos, sind doch viele Konsumenten jünger als 20 Jahre.

Bei ihrer Kategorie geht es deshalb darum, ob der Risiko-Konsum in diesem legalen Rahmen besser kontrolliert werden kann. Der „Vater“ des gesamten Versuchskonzepts Sandro Cattacin, der Mitglied der Genfer Kommission für Suchtfragen ist und die Stadt Genf in der Initiative der Städte vertritt, verliert die Risiken solcher Tests dabei niemals aus dem Auge. Es ginge hierbei auch darum, die richtigen Signale an die Jugendlichen zu senden. Und da für viele Jugendliche der Reiz von Cannabis auch in seiner Illegalität liegt, könnte man hier ansetzen und den Cannabis-Konsum quasi durch eine Entkriminalisierung unattraktiver werden lassen. Erlauben und dadurch den Spaß „am Verbotenen nehmen“.

Die anderen drei Testgruppen setzen sich aus Erwachsenen zusammen:

  • Erwachsene Genuss-Konsumenten
  • Erwachsene Risiko-Konsumenten sowie
  • Konsumenten, die Cannabis zu medizinischen Zwecken nutzen.

Wie würde sich die momentane Situation für diese drei Gruppen verändern, wenn man legal und ohne Probleme durch einen Cannabis-Club ans Gras kommen würde?

Das Ziel müsse sein, den Schwarzmarkt auszutrocknen

Der Soziologe Sandro Cattacin sieht in der Versuchsreihe einige Vorteile. Der wohl wichtigste davon wäre, dass mit der legalen Abgabe der Schwarzmarkt ausgetrocknet werden würde. Dies sei besonders wichtig, denn die Dealer auf der Straße machen Milliardengewinne, während die angebotene Ware allerdings qualitativ immer schlechter wäre. Cannabis sei in den letzten Jahren immer mehr mit Pestiziden und anderen Streckmitteln versetzt gewesen, wodurch die Aufnahme um einiges gefährlicher sei. Mittlerweile ist es beispielsweise gang und gäbe, Cannabis mit Haarspray zu besprühen, da dadurch das Gewicht gesteigert wird – und solche Tricks sind gefährlicher Usus unter den Dealern geworden.

In den Cannabisclubs könnte das Gras günstiger abgegeben werden als auf dem Schwarzmarkt und so würden die Dealer nach und nach wegbrechen. Da den größten Anteil der Konsumenten Erwachsene ausmachen würden und diese liebend gerne darauf verzichten würden, sich ihr Gras auf der Straße zu kaufen, könne man damit auch das Stadtbild zum positiven verändern. Kein Handel mehr in der Öffentlichkeit, sondern lieber in einem nicht beworbenem Cannabisclub, in den Jugendliche unter 18 Jahren natürlich keinen Zugang hätten.

Was wären die Signale an die Jugend?

Im Interview mit dem schweizer Blatt „Tagesanzeiger“ gefragt, welche Signale mit den geplanten Cannabisclubs an die Jugend gesendet würden, zeigt sich Sandro Cattacin realistisch. Man wisse zwar nicht, was durch die Installation von Cannabisclubs passieren würde, was man allerdings wisse, ist, dass die Verbote bis jetzt nicht wirklich etwas gebracht haben.

Ziel müsse es sein, dass man den Zugang zu Drogen zumindest so weit kontrollieren könne, dass sie möglichst wenig Schaden anrichten können. So zeigen die Zahlen von europäischen Nachbarn Holland, dass es durch die Eröffnung der Coffeeshops zu keiner Zunahme des Konsums in der Bevölkerung gekommen sei – ein Hoffnungsschimmer, dass Jugendliche sich durch die Legalisierung nicht animiert sahen, mit dem Kiffen anzufangen.

Ein weiterer Punkt auf den Cattacin eingeht, ist die Prävention. Da man mit dem legalen Verkauf von Cannabis natürlich auch Einnahmen habe, könne man viel mehr Geld in Präventions- und Aufklärungsprogramme fließen lassen. Es ginge hier nicht darum, Cannabis zu verherrlichen, sondern ganz klar auf die möglichen Risiken und gesundheitlichen Folgen aufmerksam zu machen – ähnlich wie Tabak- und Alkoholsteuern für solche Zwecke eingesetzt würden.

Zudem sollen die Clubs weder beworben, noch „einladend“ gestaltet werden.

In Spanien beispielsweise dürfen die Cannabisclubs keine Fenster zur Straße oder gar ein Werbeschild am Eingang haben. Meist liegen sie recht versteckt und ab von lebhafteren Straßen – man hat also kaum eine Chance, zufällig über einen solchen Club zu stolpern.

Wie soll der Versuch beliefert und finanziert werden?

In der Schweiz gibt es jetzt schon einige landwirtschaftliche Betriebe, die Cannabis für medizinische Zwecke anbauen dürfen. Diese würden zwar durch den vermehrten Bedarf vor einer Herausforderung stehen, man könne allerdings auch weitere Bauern mit ins Boot holen.

Und die Bauern freuen sich natürlich, denn wer eine Genehmigung für den Anbau von Cannabis erhält, kann sich auf garantierte Abnahme durch den Staat freuen. Zudem ist der Cannabis-Anbau recht unproblematisch: man kann ihn drinnen und draußen betreiben und es braucht keiner aufwendigen Pflege.

Man könnte fast sagen, dass das größte Risiko in der Sicherheit der Pflanzen liegt. Wenn man bedenkt, dass beim Nachbar Frankreich der Anbau und Konsum verboten ist, könnten sich kriminelle Banden verführt sehen, die Felder der schweizer Bauern zu plündern. Hier müsse man mit Sicherheitsdiensten zusammenarbeiten, um die Betriebe und die Ernten zu schützen.

Die Finanzierung für die Tests würden die Städte unter sich aufteilen. Cattacin rechnet mit maximal 600.000 Schweizer Franken über eine Periode von drei Jahren – nicht wirklich viel, wenn man darauf schielt, wie viel Geld durch eine Legalisierung in die Staatskassen gespült werden könnte.

Wird das Bundesamt für Gesundheit mitspielen?

Die Pläne stehen, die Finanzierung ist gesichert, über kleinere Details wolle man sich innerhalb der nächsten Wochen einigen – die Städte sind hoch motiviert, die Tests und Projekte möglichst schnell anzustoßen. Doch noch gibt es eine große Hürde zu nehmen: die Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit.

Das offizielle Gesuch für die Genehmigung soll voraussichtlich im Sommer eingereicht werden, mit den Tests wolle man im kommenden Jahr beginnen. Und auch wenn der Bund den Städten sein ok erteilt, könnten die Stadtparlamente noch ihr Veto einlegen. So seien sich Stadtregierung und Stadtparlament in Bern zwar einig, dafür blockiere aber das Kantonsparlament die Pläne.

Ob und wie die Testreihe und die Cannabisclubs also Realität werden, steht noch in den Sternen. Man gibt sich allerdings optimistisch, dass man sowohl die Genehmigung vom Gesundheitsamt als auch die Zustimmung der Städte und Kantone erwirken könne.

Pikant: wenn die auf drei Jahre geplante Testphase positive Resultate ergebe und man über die Projektphase hinaus weiter machen wolle, bräuchte es eine Änderung im Betäubungsmittelgesetz oder sogar ein eigenes, spezielles Cannabisgesetz. Und ob die Schweizer dazu bereit sind? Diese Frage kann wohl nur die Zeit beantworten. Scheitert das Projekt allerdings, bleibt alles beim Alten und eine Änderung der Gesetze wäre obsolet.

Schweizer lieben Vereine!

Im Rahmen der Initiative der Städte habe man mit verschiedenen Ideen für Projekte gespielt. Eine davon war unter anderem auch eine Abgabe in Apotheken. Doch wie Sandro Cattacin es so schön in seinem Interview mit dem Tagesanzeiger formulierte: „Die Schweizer lieben Vereine“, deshalb habe man sich zunächst für die Variante mit den Cannabisclubs entschieden.

Hier könne man sowohl die Konsumzahlen genau (und natürlich anonymisiert) aufzeichnen sowie die Konsumenten selbst im Rahmen von Tests und Befragungen „überwachen“.

Und die Schweizer warten quasi nur auf eine solche Gelegenheit. Man geht davon aus, dass die Zahl der Anwärter auf einen Cannabisclub-Mitgliedsausweis das Angebot weit überschreiten dürfte. Cattacins Lösungsansatz: Interessenten „bewerben“ sich bei der Stadt und werden per Lotterie-Auslosung ermittelt. Wer Glück hat und gezogen wird, darf kiffen.