Cannabis als Medikament: Wirkung und Status Quo

Cannabis als Medikament

Seit 2011 wird die therapeutische Wirkung von Cannabis auch von der deutschen Gesetzgebung anerkannt. Seit diesem Jahr ist der Stoff bedingt verkehrsfähig, wenn er nachweislich „zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken“ erworben wird.

Einzelfall Deutschland

Anders als in vielen Ländern wie allen voran Israel, aber auch Canada, 18 amerikanischen Bundesstaaten oder den Niederlanden stellt hierbei in Deutschland jeder Einzelfall eine zu begründende Ausnahmeregelung dar. In Folge beziehen gegenwärtig etwas unter 200 schwer oder chronisch Kranke Cannabis auf ärztlich verordnetem Rezept, wie eine Anfrage des Bundesabgeordneten Frank Tempel (Die Linke) zur Verwendung von Cannabis ergab.

Cannabis auf Rezept

Cannabishaltige Medikamente können ebenfalls innerhalb strikter Grenzen verschrieben und erworben werden.Das juristische Problem: Einerseits sind die Herstellung, der Vertrieb und der Erwerb von Cannabis in Deutschland untersagt. Andererseits beinhaltet die Pflanze eine Reihe erprobter medizinisch wirksamer Inhaltsstoffe, die nebenwirkungsfrei gegen eine Vielzahl an Nebenerscheinungen von Krankheiten wirken. Die Internationale Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM) beschäftigt sich besonders eingehend mit diesen Eigenschaften. Sie fasst die therapeutische Wirkung der beiden entscheidenden Inhaltsstoffe Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) in vier Einsatzbereichen zusammen.

Cannabis wirkt krampflösend und appetitanregend

Die krampflösende Wirkung des Cannabis lässt sich außerordentlich effektiv bei Multipler Sklerose verabreichen. Es fungiert als sanfter Schmerzstiller, auch bei neuropathischen Schmerzen, die durch Nervenschädigungen hervorgerufen und schwer zu behandeln sind. Bei Krebserkrankungen und HIV-Infektionen kann Cannabis zur Entzündungshemmung und Appetitanregungen eingesetzt werden. Im täglichen Zusammenhang könnte der Wirkstoff außerdem bei Übelkeit und Erbrechen helfen. Besonders für chronisch Kranke bedeutet Cannabis eine spürbare Erleichterung. Natürlich ist, wie bei allen physiologisch aktiven Stoffen, für bestimmte Patientengruppen besondere Vorsicht geboten. Hierzu zählen Kinder, Schwangere und alte Menschen, sowie an Hepatitis C erkrankte und Menschen mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Psychosen.

Vermeintliches Suchtpotenzial

Die meisten Mediziner machen sich dabei um das vermeintliche Suchtpotenzial wenig Sorgen – vor allem, weil es in keinem Verhältnis zu den alternativ angebotenen Produkten wie Valium oder Morphium steht. Diese sind zwar verschreibungspflichtig, aber voll verkehrsfähig und machen fast unmittelbar abhängig.

Cannabis kann in Deutschland auf zwei Weisen verschrieben werden; die Grundlage ist immer ein Betäubungsmittelrezept. Das einzige zugelassene Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis heißt „Sativex“ und ist für Patienten mit Multipler Sklerose mit schweren spastischen Lähmungen und Krämpfen entwickelt worden. Dieses wird von den Krankenkassen im Bedarfsfall häufiger erstattet. Selbst für die Kosten aufkommen müssen Patienten, wenn ihr Arzt ihnen Medikamente mit den ebenfalls erlaubten, aber nicht in Deutschland erhältlichen Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon verordnet.

Genehmigung durch Bundesopiumstelle

Die Alternative liegt in der sogenannten „medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie“. Für diese muss jeder Patient zunächst bei der Bundesopiumstelle eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten oder -extrakten beantragen. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden seit 2005 394 entsprechende Ausnahmeanträge gestellt, von denen 221 bewilligt wurden. Mit dieser und einem Arzt, der die Cannabis-Therapie nachweislich begleitet, kann in Apotheken reines Cannabis erworben werden. Die Krankenkassen lehnen die Übernahme der Folgekosten in den meisten Fällen ab. Ein Privatrezept kann im Monat Kosten bis zu 600 EURO bei kontinuierlicher Einnahme verursachen.

Todesfall durch Cannabis?

Kritiker des Einsatzes von Cannabis verweisen zum einen auf die mangelhafte Zahl der durchgeführten Studien zur medizinischen Wirksamkeit. Zudem gehen sie davon aus, dass Cannabis tatsächlich gefährlich sein könnte, da es bei bestimmten Personengruppen unter Umständen Herzrhythmusstörungen auslösen kann. Im medizinischen Online-Journal „Forensic Science International“ stellten vier deutsche Forscher jüngst zwei Todesfälle vor, die sie als Folge von THC-Konsum deklarieren.

Die ansonsten gesunden jungen Männer starben scheinbar nach Cannabis-Konsum, wobei die Wissenschaftler alle anderen Todesursachen sorgfältig ausgeschlossen haben. Dieser Ausschluss allerdings belegt den Kausalzusammenhang zwischen Tod und vorherigem Cannabis-Genuss nur indirekt, nicht schlüssig. Da Cannabis eine kardiovaskuläre Wirkung hat, besteht die theoretische Möglichkeit, es kann aber auch schlicht Zufall sein. Es wären weltweit die ersten bewiesenen Todesfälle aufgrund von THC-Nutzung. Ansonsten ist es bisher nicht gelungen, eine tödliche Dosis auch nur festzulegen, was Cannabis deutlich von vielen anderen zugelassenen Pharmaka (vor allem Schmerzmitteln) unterscheidet. Bei Tierversuchen hat es sich nämlich als schlicht unmöglich herausgestellt, Tieren genug Cannabis zu verabreichen, um ihren Tod zu verursachen.

1.500 Pfund Marihuana

Theoretisch geschätzt wird, dass ein Mensch etwa 1.500 Pfund Marihuana in 15 Minuten beziehungsweise mindestens das 20.000fache eines Joint-Inhalts konsumieren müsste, um eine tödliche Reaktion hervorzurufen. Die beiden Tode, sollten sie den THC-bezogen sein, wären insofern eher ein Indiz für die Sicherheit der Cannabis-Wirkstoffe. So gut wie kein auf dem Markt verfügbares Schmerzmittel etwa kann dieselbe niedrige Mortalitätsrate für sich verbuchen. So wird etwa geschätzt, dass die im Aspirin enthaltene Acetylsalicylsäure jährlich einige tausend Todesfälle verursacht und außerdem zu Geschwürbildung, Blutungen und Nervenschäden führen kann. Cannabis zeigt keine dieser Nebenwirkungen. Seine ausgezeichnete Verträglichkeit überrascht Mediziner immer wieder.

Vielleicht hat aber die nahe Zukunft auch eine medizinische Lösung parat, die eine notwendige Legalisierung von Cannabis (die allerdings noch aus anderer denn aus medizinischer Sicht anstünde) umgehen könnte. In Israel wird zur Zeit mit einer Züchtung experimentiert, die viele therapeutische Vorteile des Cannabis in sich trägt, aber fast ohne Produktion des psychoaktiv wirkenden THC (Tetrahydrocannabinol) heranwächst. Durch den höheren Anteil an Cannabidiol (CBD), das sich nicht an Gerhirnzellen bindet, wirkt das ’neue‘ Cannabis dennoch entzündungshemmend, entkrampfend und angstlösend. Es soll außerdem auch für Kinder und ältere Menschen geeignet sein.

Bei diesen Krankheiten kommt Cannabis als Medizin in Frage

Laut Techniker Krankenkasse sind nachstehende Krankheiten und Anwendungsbereiche eine denkbare Indikation für eine Therapie mit medizinischem Cannabis bei:

  • chronische Schmerzen,
  • Spastizität bei Multipler Sklerose und Paraplegie,
  • Epilepsie,
  • Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapie sowie
  • Appetitsteigerung bei HIV/AIDS.

Mögliche Indikationen für Medizinal-Cannabis sind demnach

  • Angststörungen,
  • Schlafstörungen,
  • Tourette-Syndrom und
  • ADHS

Cannabis auf Rezept

Weiterführende Literatur