Wie Hanf Landwirtschaft und Industrien revolutionieren könnte
Die Nutzpflanze Hanf
Die gravierendste Nebenwirkung des weltweiten Hanf-Anbauverbots ist wahrscheinlich nicht einmal die Vergeudung des therapeutischen Potenzials von THC, sondern die Vernachlässigung des Hanfs als Nutzpflanze.
Hanf ist nicht nur eine Pflanze mit derart vielen Anwendungsmöglichkeiten, dass es fast unglaublich erscheint. Sie birgt auch Antworten auf eine Vielzahl drängender ernährungspolitischer und umwelttechnischer Probleme. Nicht umsonst ist Hanf seit Jahrtausenden von so gut wie allen Kulturen intensiv genutzt worden; noch vor zweihundert Jahren wäre die Illegalität von Nutzhanfanbau weitaus absurder erschienen als eine Landung auf dem Mars.
Es spricht nicht gerade für die Kultiviertheit unserer eigenen Zivilisation, dass wir dieses Wundermittel aus ominösen politischen und wirtschaftlichen Gründen derart in die Vergessenheit geraten lassen.
Die eigene Nützlichkeit hat die Hanf Pflanze zu Fall gebracht
Die Ironie: Es waren mitnichten die Rausch erzeugenden Inhaltsstoffe der Cannabis-Pflanze, die überhaupt zu ihrer Illegalisierung geführt haben und Grundlage der sinnlosen Cannabis-Kriminalisierung sind, von deren Klammergriff sich Gesellschaften weltweit nur langsam lösen.
Hanf wurde nicht etwa verboten, weil die THC-haltige Pflanzensorten als gefährliches Suchtmittel angesehen wurden. Das war nur die argumentative Fassade von zunächst amerikanischer Regierungsseite, um eine unangenehme Wahrheit nicht zugeben zu müssen: Dass sie nämlich vor dem Druck diverser Industrielobbies in die Knie gegangen war, die Hanf als Bedrohung ihres eigenen Produktportfolios angesehen hatten – und das zu Recht.
Allen voran waren es in den späten 1930ern holzverarbeitende und Kunststoffindustrien, die in der Cannabis-Pflanze eine zu starke Konkurrenz zu ihren eigenen Entwicklungen sahen. Hanf war als rein natürlich vorkommendes Natur-Produkt nicht patentierbar (und wird es hoffentlich, allen absurden Bemühungen und Gen-Manipulationen zum Trotz, auch in Zukunft nicht sein). Jeder Kleinbauer konnte auf Hanfproduktion umstellen; jeder Handwerker und Pharmazeut oder Apotheker, jede Textil- und Papiermanufaktur seine Ernte lokal zu individuell verhandelten Preisen abnehmen und nach Gutdünken weiterverarbeiten.
Das entwertete die Patente, die Konzerne auf Herstellungsprozesse jener Produkte hatten, mit denen Hanf unmittelbar im Wettbewerb stand. Es unterwanderte auch die von Monopolen und Marktkartellen festgelegten Rohstoffpreise, die nicht zuletzt den Börsenhandel in Schwung hielten.
Ab 1916 gingen die entsprechenden Industrielobbys deshalb zu einem Großangriff auf den Hanf vor. Die Folge war, um es historisch stark abzukürzen, eine konzertierte mediale Darstellung von Marijuana als massives Drogenproblem (das es nie war), die dem amerikanischen Kongress 1937 fast keine andere Wahl ließen, als den Cannabis-Anbau in Gänze zu verbieten. Aus den USA schwappte diese Illegalisierungswelle über den ganzen Globus und hat zu der heute noch im Kollektivgedächtnis verankerten Diskreditierung von Hanf als „volksbedrohender“ Pflanze geführt.
Hanf beantwortet so gut wie alle drängenden Rohstofffragen der Gegenwart
Ohne dieses Verbot des Hanfanbaus wären wir um eine Lösung des Welthungers, der Weltenergiekrise und diverser Umweltprobleme um einiges näher. Hanf könnte, alle Faktoren zusammen genommen, die landwirtschaftlich profitabelste und nachhaltigste Pflanze sein, die es gegenwärtig gibt (was natürlich kein Aufruf zu einer neuen Monokultur sein soll). Mit ihrem Einsatz und der Entwicklung von effektiven, Hanf verarbeitenden Technologien könnten jährlich Milliarden Finanzmittel und Millionen Tonnen toxischer Produkte eingespart werden – von den präventiven gesundheitlichen Positivfolgen gar nicht zu sprechen.
Noch bildet die weltweite Prohibition eine Barriere diesbezüglicher Entwicklungen. Zum Glück gibt es dennoch genügend (meist selbst finanzierte) Biologen, Pharmakologen, Ingenieure und Entrepreneure, die den Wert des Hand erkannt haben und mit seinen vielen erstaunlichen Eigenschaften experimentieren. Tatsächlich kann der Hanf auch im Leben jedes Einzelnen effektiv wirken, wie das folgende Porträt einer faszinierenden Pionierpflanze zeigt.
Eine Pflanze ohne Rückstände: Hanf Samen, Hanf Fasern, Hanf Blätter, Hanf „Holz“
Bereits heute können etwa 50.000 verschiedene Hanf-Produkte auf nachhaltige, boden- und ressourcenschonende Art und Weise hergestellt werden. Einmal positioniert, verdrängen diese viel rohstoff-intensivere und wesentlich kostspieligere Güter problemlos und schnell.
Dabei können wirklich alle Teile der Hanfpflanze sinnvoll verarbeitet werden: Hanf ist ein Rohstoff ohne Ausschussanteil.
Hanf Samen
sind in der Küche vielfältig einsetzbar. Sie stellen eine der ertragreichsten Quellen von wertvollen Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren da (mehr dazu unten).
Der nach der Ölgewinnung verbleibende Presskuchen ist ausgezeichnet als Futtermittel in der Landwirtschaft verwertbar; für Schweine etwa ist er eine optimale Kraftquelle. Das ist nicht
alles: Im Sinne der modernen No-Waste-Küche experimentieren immer mehr Köche auch mit dem Presskuchen als Zutat – denn im Grunde ist er nichts anderes als eine Art Mehl, allerdings fetthaltiger, verträglicher und sehr viel eigenaromatischer als die gemeinhin genutzten Mehle.
Die Fasern des Hanf werden durch Brechen und Walzen der Stängel gewonnen und sind wahre Kunstwerke an Langlebigkeit und Robustheit.
Ihre natürliche Schädlingsresistenz und Atmungsaktivität, Wärmespeicherfähigkeit und andere essenzielle Eigenschaften machen sie zunehmend zu einem Favoriten von Textilherstellern und Baumittelproduzenten. In welchem Produkt sie dabei spezifisch zum Einsatz kommen, hängt von der jeweiligen Läge der gewonnenen Hanf Fasern ab.
Tatsächlich war die Hanffaser in Europa über Jahrhunderte der Rohstoff, aus dem die meiste Kleidung hergestellt wurde – denn Baumwolle war unbekannt. Auch für die Papierherstellung sind die Hanffasern der Grundstoff. Als Rohstoff in einem Faserverbund erlaubt Hanf eine drastische Absenkung der CO2-Bilanz, die für die Faserverbundindustrie momentan ein zentrales Problem ist.
Hanf Schäben
verbleiben als verholzte Pflanzenteile nach der Fasergewinnung zurück. Sie dienen vor allem als organisches Tiereinstreu, weil sie enorm absorptionsfähig sind. Für Stalltiere ist die hohe Feuchtigkeitsaufnahme ihres Einstreus eine Grundvoraussetzung des Wohlbefindens.
Hanf Schäben sind außerdem schädlingsresistent und aufgrund des schadstofffreien Anbaus frei von Toxinen wie etwa Pestizidresten. Nach Nutzung lassen sich die Schäben hervorragend kompostieren, so dass aufgenommener Tierkot zusätzlich als Düngemittel in den Naturkreislauf zurückgeführt wird.
Hanfblätter
enthalten wertvolle ätherische Hanföle, deren Wasserdampfdestillate als Aromastoffe oder Geruchsstoffe dienen.
Rohe Hanfblätter stecken voller Antioxidantien und Vitalstoffe; sie finden perfekten Nutzen in grünen Smoothies oder als Salatbeigabe; kulinarisch können sie vor allem roh wie Spinat verarbeitet werden.
Aus jedem dieser Hanf-Bestandteile lassen sich Hunderte an wertvollen Produkten herstellen. Im folgenden geben wir nur einen Überblick über die Nutzungsmöglichkeiten des wohl verkanntesten Rohstoffes des Planeten.
Landwirtschaft
Einer der Gründe für die „Furcht“ großer Konsumindustrien vor dem Hanf ist seine Anspruchslosigkeit in Aussaat, Anzucht und Ernte. Die Cannabis-Pflanze ist sehr boden-genügsam und pflegeleicht, wenn sie unter natürlichen Lichtbedingungen im Außenbereich in durchschnittlich nährstoffreicher Erde wurzeln kann. Hanf kann außerdem so gut wie überall angebaut werden (das bedeutet etwa, großflächig in ganz Europa).
Er benötigt ausschließlich organischen Dünger und so gut wie nie Schädlings- und Pilzbehandlungen, da er über ausgezeichnete eigene Schutzmechanismen gegenüber Fressfeinden verfügt. Deshalb ist Hanf auch wie gemacht für den bio-organischen Anbau und kann so zu einer Durchsetzung der biologischen Landwirtschaft auch auf Kleinstflächen beitragen. Hanfanbau stellt deshalb auch keine Grundwasser- oder Fließwasserbelastung dar. Für Saatgutkonzerne wie Monsanto und Co. ist eine derart autonome, ertragreiche Pionoerpflanze natürlich ein Dorn im Auge, da sie an ihr weder durch teure Düngemittel, noch Pestizide verdienen können.
Hanf gibt dem Boden mehr zurück, als er ihm entzieht
Statt den Boden auszulaugen, ein Problem vieler anderer Nutzpflanzen, schont Hanf die Erde und entzieht ihr sogar zusätzlich Gifte (ich komme am Schluss nochmal auf diese Eigenschaft zurück). Er ist damit eine der wenigen Pflanzen, die gleichzeitig als Bodenoptimierer und Ressource eingesetzt werden können.
Zum einen besitzt Hanf einen idealen sogenannten Vorfruchtwert: er ‚präpariert‘ Böden für den nachfolgenden Anbau von Feldfrüchten mit höherem und komplexeren Nährstoffbedarf, beugt Unkrautbildung vor und sorgt für eine gute Bodengare. Nach der Hanfernte ist die Erde nicht etwa matt und ausgelaugt, sondern satt-humos, schön krümelig und gut durchlüftet, durchgängig leicht feucht und wunderbar durchwurzelbar.
Hanf-Textilien: Weich wie Seide, robust wie Baumwolle, atmungsaktiv wie Aktiv-Wear
Archäologen haben Hanf-Stoffe in China gefunden, die an die 10.000 Jahre alt sind. Trotz seiner reichen, textilen Tradition auch in Europa wurde Hanf im 20. Jahrhundert eher in die alternative Jute-Kategorie abgeschoben. Heute experimentieren wieder zunehmend mehr Designer mit der Hanffaser als Webstoff. Kein Wunder: Sie bringt ein Universum an nützlichen Eigenschaften mit – die nur von jenen, die Kleidung absichtlich qualitativ minderwertig produzieren, um bei größtmöglicher Gewinnmarge schnellstmöglich wieder den nächsten Ersatz verkaufen zu können, mit Argwohn beäugt wird.
Hanfkleidung ist extrem haltbar; nicht umsonst wurde und wird es seit Jahrhunderten für die Herstellung von Schiffstauen verwendet. Es ist ungefähr vier- bis zehnmal widerstandsfähiger als Baumwolle, abhängig von der Faserlänge und Verarbeitung. Wer also wirklich robuste Jeans sein eigen nennen möchte, sollte zu Hanf Jeans greifen. Nicht umsonst waren die allerersten Levis-Jeans aus Hanf. Nur zu Anfang sind Hanf Jeans etwas ungewohnt: Hanf fühlt sich eher wie Leinen an, weich und fließend, dafür auch etwas knitteranfällig.
Hanfkleidung ist der perfekte Reisebegleiter
Ebenso wie Leinen verfügt Hanf über eine natürliche Feuchtigkeitsregulierung, in dem es Feuchtigkeit vom Körper wegleitet und der Haut gleichzeitig Luft zum atmen gibt – vor allem an heißen Tagen. Gleichzeitig ist Hanf ein erstaunlicher Temperaturregulator: im Sommer hält er kühl, im Winter hingegen warm. Die organische Atmungsaktivität des Materials macht es auch zum perfekten Begleiter auf Reisen und beim Sport. Ähnlich wie Jeans muss Hanf selten gewaschen werden, da es Gerüche nur minimal annimmt und natürlich schmutzabweisend ist.
In meinen Augen ist eine der charmantesten Eigenschaften von Hanf Kleidung ihre Langlebigkeit. Und: Je länger sie getragen wird, desto komfortabler ist sie. Nach jedem Waschgang wird Hanf Kleidung nur immer weicher und bequemer. Für Allergiker, Neurodermitiker und Kleinkinder sind die toxisch unbelasteten Hanf Stoffe eine ideale Wahl, selbst direkt auf der Haut getragen.
Mein Tipp: Outdoor- und Reisekleidung aus einem Hanf-Kunstoffgemisch, wie einige Outdoor-Spezialisten sie inzwischen anbieten. Selbst in der Wüste war Hanf für mich das angenehmst mögliche Textil. Und aufgrund ihrer schweren Entflammbarkeit eignen sich Hanf Textilien auch optimal für die Innenraumgestaltung, ohne deren Atmosphäre mit Ausdünstungen imprägnierender Chemikalien zu belasten.
Hanf ist nachhaltiger und ertragreicher als Baumwolle
Auch im Direktvergleich mit Baumwolle als landwirtschaftlichem Produkt steht Hanf gut da – es ist schlicht viel nachhaltiger und umweltfreundlicher in der Herstellung. Zwar verbraucht sein Anbau, alle Faktoren einberechnet, ein wenig mehr Energie als Baumwolle – diese allerdings kann auch aus erneuerbaren Ressourcen stammen.
Bei den entscheidenden Faktoren, Landnutzung und Erhalt, sowie Wasserverbrauch, ist Hanf der klare Gewinner. Für den gleichen Faserertrag braucht Hanf nur eine halb so große Anbaufläche wie Baumwolle und nur ein Viertel des Wasserverbrauchs – das ist vor allem in heißen, trockenen Gegenden ein Argument. Konventionell angebaute Baumwolle bedarf zusätzlich einer enormen Menge an Pestiziden und anderen Chemikalien, die ins Grundwasser gelangen. In den USA werden beispielsweise die Hälfte aller eingesetzten Pestizide für den Baumwoll-Anbau verbraucht.
Nachdem die sogenannte cottonisierte Baumwolle Hanf lange abgelöst hatte, werden nun von der Textilindustrie nach und nach neue Hanf Verarbeitungsmöglichkeiten entwickelt. Das bisherige Problem: Die herkömmliche Verarbeitung nutzt hauptsächlich die Hanf Langfasern. Dadurch jedoch ergibt sich nicht nur viel Überschuss; die bestehenden Ausrüstungen der Bekleidungsindustrie können diese Faserlängen auch nicht verarbeiten.
Deshalb wurden nun „cottonisierte Hanffasern“ entwickelt. Diese sind so verfeinert, dass sie direkt auf hochproduktiven Baumwollspinnmaschinen verarbeitet werden können. Damit ließe sich das Produktivitäts- und Kostenproblem lösen, das bisher einer globalen Durchsetzung des Hanfs als Textillieferant im Weg stand. Doch auch jetzt schon gilt: Der unvergleichliche Tragekomfort, die ökologischen Qualitäten und die Haltbarkeit von Hanf Kleidung machen den noch höheren Preis langfristig und ganzheitlich gesehen zum Schnäppchen.