Cannabis in der Medizin – lang vernachlässigtes Potenzial
Cannabis als Heilpflanze wurde schon vor Jahrhunderten genutzt – und zwar verteilt über alle Kontinente und Kulturen. In Südamerika wurde die Cannabispflanze für spirituelle Zwecke eingesetzt, in China galt sie als Heilmittel gegen allerlei Beschwerden. Niemand, der sich ernsthaft mit dem Thema „Kiffen“ auseinandersetzt, kann heute mehr verleugnen, dass in der Pflanze sehr viel mehr Potenzial steckt, als propagiert wird.
Aber die heilenden Wirkstoffe im Inneren der Cannabis-Pflanze sind noch lange nicht vollständig erforscht – wer weiß, wie viel Potenzial noch dahinter steckt! Gesetzliche Regelungen und zahlreiche Grauzonen lassen die Forschung allerdings zu einer echten Herausforderung werden. Zum Glück hat sich in den letzten Jahren viel getan, und so rückt die Cannabis-Pflanze immer mehr weg vom schmuddeligen Kiffer-Image, hin zur ernst zu nehmenden medizinischen Alternative bei zahlreichen Erkrankungen und Beschwerden.
Bei welchen Krankheiten kann Cannabis helfen?
Eine der Wirkungen von Cannabis ist, dass es bei durch andere Medikamente ausgelösten Nebenwirkungen mildernd wirkt. So wurde Cannabis zuerst bei Patienten angewendet, die zum Beispiel durch eine Chemotherapie oder HIV-Infektion unter Übelkeit und Appetitlosigkeit litten. Kiffer können wahrscheinlich bestätigen, dass Gras eine appetitanregende Wirkung hat – die einen nennen es „Fresskick“, für Patienten ist es ein Weg, nicht vollkommen vom Fleisch zu fallen.
Mittlerweile wird Cannabis bei einer Vielzahl von Erkrankungen verschrieben, u. a. bei:
- Glaukomen (Grüner Star)
- Multipler Sklerose
- Krebs
- AIDS
- Starker Migräne
- Depressionen
- Tourettesyndrom
- Morbus Krohn und
- Darmreizungen
Aber natürlich ist Cannabis kein Allheilmittel und so gibt es nicht nur Krankheiten, bei denen Cannabis auf keinen Fall verabreicht werden sollte (so beispielsweise bei paranoiden Psychosen) und Fälle, in denen es nicht zu empfehlen ist (bei Herzbeschwerden / Herzrhythmusstörungen). Tatsache ist, dass Cannabis für Erkrankte in vielen Fällen eine deutliche Linderung ihrer Beschwerden bedeutet – und nun ist es an der Regierung, mit den richtigen Gesetzen den Zugriff darauf zu erleichtern und eine weitere Erforschung zu unterstützen.
Die Entschlüsselung des Cannabis-Genoms
Die Cannabis-Pflanze stellt Forscher regelmäßig vor neue Rätsel: Wie kommt es zu einer solchen Fülle an Inhaltsstoffen? Warum wirken sie so stark auf unseren Körper? Was versteckt sich noch hinter den über 60.000 Einzelabschnitten des Cannabis-Genoms?
Aufgrund der Negativ-Propaganda und dem Verbot von Cannabis in den letzten Jahrzehnten ist die Forschung noch ganz am Anfang, was die Entschlüsselung der Geheimnisse von Cannabis angeht. Schuld daran war übrigens – wenn auch indirekt – die katholische Kirche. Denn die brachte im Amerika der Dreißiger Jahre einen Film auf den Markt, der das Kiffen als das neue, ultimative Übel beschrieb. Eine Massenhysterie setzte ein und schon bald verschwand Cannabis, welches bis dato eine Heilpflanze wie viele andere auch war, unter die Tresen der Apotheken.
Die Verteufelung des Kiffens als Einstiegsdroge nahm von dort ihren Lauf und schon bald war der Konsum, der Besitz und der Anbau von Cannabis auch in Deutschland verboten. Heute arbeiten Forscher weltweit fieberhaft daran, die Pflanze ausgiebig unter die Lupe zu nehmen – und so erstaunt es kaum, dass in den letzten Jahren einige sehr vielversprechende Medikamente dabei auf den Markt kamen.
Dabei muss man bei den Inhaltsstoffen unterscheiden. Neben Hunderten anderen Wirkstoffen sind die zwei wichtigsten wohl zum einen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD).
Während das THC dafür sorgt, dass man „high“ wird, liegen die Wirkungen beim Cannbidiol eher im medizinischen Bereich, weshalb viele Präparate darauf zurückgreifen.
Wie kommt man an ärztlich verschriebenes Cannabis und in welcher Form?
Viele Ärzte scheuen sich auch heute noch, ihren Patienten Cannabis als Medikament zu verschreiben. Das liegt nicht nur an dem immer noch zweifelhaften Ruf des Grases, sondern auch an den horrenden Preisen und der Tatsache, dass die Krankenkasse nur selten die Kosten übernimmt.
Im Internet findet man mittlerweile von Patienten und anderen Leidenden erstellte Listen mit Ärzten, die einen bei einer Behandlung mit Cannabis unterstützen. Manchmal ist es vom ersten Besuch bis zur erfolgreichen Behandlung nur ein kurzer Weg, aber manche Patienten müssen für ihr „Recht“ hart kämpfen.
Cannabis wird momentan in drei Varianten für die Patienten „angeboten“:
- Wahrscheinlich am häufigsten wird Dronabinol (THC) verschrieben. Dieser ölige Extrakt muss vom Arzt auf einem privaten BTM-Rezept verschrieben werden – das bedeutet, die Krankenkasse kommt dafür nicht auf. Der Nachteil: Die Patienten haben oft nicht die erhoffte Wirkung aufgrund der geringen THC-Werte und das Präparat ist extrem kostspielig.
- Bei Multipler Sklerose verschreiben manche Ärzte das Sprühpräparat Sativex, da es sehr wirksam bei Spastiken und ähnlichen Beschwerden bewährt hat und deshalb auch von vielen Kassen übernommen wird. Der Arzt kann das Spray allerdings auch bei anderen Erkrankungen verschreiben, dann allerdings wieder auf einem privat zahlbaren BTM-Rezept.
- Wer für die Behandlung echte Grasblüten haben möchte, um sich zum Beispiel einen Joint zu drehen oder Hasch-Kekse zu backen, hat einen schwereren Weg vor sich. Denn dafür ist die sogenannte „Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis [aus der Apotheke] zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie“ vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vonnöten – und dieser Antrag wird nur in seltenen Fällen positiv bescheidet.
Mittlerweile wurden auch einige Anträge auf legalen Eigenanbau zwar von mehreren deutschen Gerichten positiv entschieden, die nötigen Genehmigungen gibt es aber für die Patienten trotzdem (noch) nicht. Allerdings kann man auch hier auf eine sich verändernde Rechts- und Politiklage bauen, die sich im Zuge der weiteren Forschungen wahrscheinlich zum Positiven verändern wird.