Cannabis Konsum in Deutschland
Die Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Warum jetzt schon Rechtsprofessoren für den Joint eintreten
In Deutschland sind seit 1981 laut §§ 29 ff. Betäubungsmittelgesetz Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Abgabe, Veräußerung, sonstige Inverkehrbringung, Erwerb und Besitz von allen Pflanzenteilen des Cannabis strafbar. Dies gründet sich auf den in der Pflanze enthaltenen Cannabiswirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC), der zu den sehr eingeschränkt verkehrsfähigen Stoffen zählt. Ausnahmen sind zu wissenschaftlichen Zwecken möglich, müssen aber beantragt werden. Genetisch entsprechend modifizierte Hanfarten mit besonders niedrigem THC-Gehalt dürfen mit Sondergenehmigung angebaut werden. Seit 2011 ist Cannabis dann verkehrsfähig, wenn es nachweislich „zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken“ erworben wird. Cannabishaltige Pharmazeutika (sogenannte Fertigarzneimittel) können nun ebenfalls innerhalb strikter Grenzen verschrieben und erworben werden.
Das seit Jahrzehnten offensichtliche Paradox besteht in der Tatsache, dass zwar Handel und Erwerb, nicht aber der Gebrauch von Betäubungsmitteln an und für sich in Deutschland verboten sind. Ihr Konsum gilt aus juristischer Perspektive als straffreie Selbstschädigung – wie es ja auch der ungeahndete Umgang mit Tabakzigaretten und Alkohol zur Genüge vorführt. Kommt es zu einer Anzeige aufgrund des Erwerbs von Cannabis, hängt die rechtliche Praxis von der erworbenen Menge ab. Sogenannte, von Bundesland zu Bundesland individuell definierte ‚Kleinstmengen‘, die offensichtlich nur dem kurz- oder mittelfristigen Eigenbedarf dienen sollen, werden selten geahndet. Meist stellen die Staatsanwaltschaften die dazugehörigen Verfahren ein, solange durch den Konsum keine Fremdgefährdung in der Öffentlichkeit ersichtlich wurde.
Die Doppelmoral der legalen, offensichtlich tödlichen Drogen Tabak und Alkohol auf der einen Seite und Cannabis auf der anderen war schon immer Gegenstand hitziger Diskussionen. 1990 aber sprach sich erstmals ein Jurist vehement und öffentlich für die Legalisierung von Cannabis aus. Wolfgang Nešković machte den Ausdruck „Recht auf Rausch“ bundesweit berühmt, als er das Bundesverfassungsgericht aufforderte, den Rechtsstatus des Krauts zu hinterfragen. 1994 bestätigte das BVG dementgegen die Verfassungsmäßigkeit des BtMG. Das Konzept der Repression sei hinnehmbar, hieß es in der Begründung. Das BVG verlangte allerdings von der Innenministerkonferenz, bei Kleinstmengen von einer Strafverfolgung abzusehen und die Eigengebrauchsmenge bundesweit festzusetzen. Letzteres ist bisher nicht geschehen.
Nun knüpft eine neue Petition an Nešković Bemühungen an, die von mehr als hundert deutschen Strafrechtsprofessoren unterzeichnet wurde. Das ist insofern interessant, als die Gründe für dieses Engagement offensichtlich nicht in dem selbstbezogenen Wunsch begründet liegen, endlich ungestraft mit Cannabis handeln zu dürfen oder die Bong auch mal über Nacht auf dem Terrassentisch stehen lassen zu können. Vielmehr stören die Juristen zum einen die rechtlichen Paradoxien, die das Verbot aufwirft. Denn würden Drogen nach Gefährlichkeit geahndet, müsste Cannabis weit hinter vor allem Alkohol eingestuft werden – darin sind sich alle Mediziner und Soziologen einig. Zudem stellt das Gesetz klar eine Grundgesetzverletzung dar, indem es das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung deutlich einschränkt.
Zum anderen sprechen die Juristen aus professioneller Erfahrung, wenn sie argumentieren, dass eine repressive Cannabis-Doktrin nicht etwa für Recht und Ordnung sorgt, sondern kriminellen Lebensläufen überhaupt erst die Bahn ebnet. Die Petition, initiiert von Lorenz Böllinger, emeritierter Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Bremen und Leiter des Bremer Instituts für Drogenforschung und unterschrieben von 122 Juraprofessoren, bezeichnet die „strafrechtliche Drogenprohibition [als] gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“. Die Unterzeichnenden fordern die Einsetzung einer Enquetekommission des Bundestages.
Die Petition führt aus, dass eine Kriminalisierung des Konsums (einschließlich des Erwerbs) weltweit kein einziges positiv wirkendes Beispiel hervorgebracht hätte. Umgekehrt hätten eine kontrollierte Abgabe beziehungsweise ein liberalerer Zugang wie etwa in der Schweiz oder in den Niederlanden nicht zu einer plötzlichen Ausweitung des Konsums geführt.
Im Gegenteil würde durch den Nimbus des Geheimnisvollen das „Erlernen von Drogenmündigkeit“ erheblich erschwert. Jeder Mensch in Deutschland soll selbst entscheiden können, wie viel Cannabis er in welchen Abständen konsumieren möchte. Zudem mache eine Kriminalisierung die Bildung von Drogenkartellen wahrscheinlicher, die gleichzeitig eine Destabilisierung der Zivilgesellschaft nach sich ziehen können. Dem hinzuzufügen ist, dass auch die Ausbreitung von Schwarzmärkten und das Angebot an minderwertigem Stoff ein Risiko darstellen, nicht zu sprechen vom Anteil an Schwarzgeld, das über diesen Markt nach Deutschland fließt.
Natürlich sind sich auch die Unterzeichner der Petition der potenziellen Risiken der Droge bewusst. Vor allem bei Heranwachsenden, die regelmäßig konsumieren, scheint die Möglichkeit einer Hirnschädigung inzwischen zweifelsfrei erwiesen. Allerdings sehen sie mehr Sinn darin, gesundheitspolitische Strategien einzusetzen, als Cannabis eine unrechtmäßige Illegalität überzustülpen, während andere ‚Drogen‘ frei erhältlich sind. Dazu könnte ein staatlich kontrollierter Anbau, eine lizenzierte Abgabe und verstärkte Aufklärungs- und Präventionsarbeit gehören. Tatsächlich entstehen viele Risiken wie die Gesundheitsgefährdung durch Insektenschutz- und Streckmittel erst durch Illegalität; und alle anderen sind durch diese nicht wirkungsvoll eindämmbar, das haben unzählige Studien erweisen. Somit sind schon die strafrechtlichen Prämissen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben – letzteres vor allem im Hinblick auf die durch die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten entstehenden Kosten von mindestens 3 Milliarden Euro (konservativ geschätzt) für den Bürger und den Personalaufwand, die das Verbot nach sich ziehen.
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