Entsteht in Deutschland ein neuer Cannabismarkt?
Die Legalisierung der Pflanze verspricht Umsätze in Milliardenhöhe
Die Bundestagswahl hatte es schon angedeutet und mit der neu gebildeten Regierung aus SPD, Grünen und FDP wird es nun konkret: Die Legalisierung von Cannabis steht an. Deutschland reiht sich damit in die Länder ein, die den Hanfkonsum von Stigmatisierung und Verboten befreien wollen. Die Normalisierung, die die Droge in vielen Teilen der Gesellschaft längst erfahren hat, wird damit auch juristisch nachvollzogen. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich aus dem bisher verdeckten Handel mit Cannabis ein transparenter Markt entwickeln wird.
Cannabisnutzung früher und heute
Die Hanfpflanze ist eine der ältesten Nutzpflanzen überhaupt. Sie wird seit Jahrtausenden von Menschen in verschiedenen Weltregionen angebaut. Neben der Verwendung der Fasern für die Herstellung von Kleidung, Seilen und anderen Gebrauchsgegenständen wurde auch schon in der Antike die Verwendung der Pflanze zu Arzneizwecken beschrieben, vor allem der Einsatz als Schmerzmittel. In der mittelalterlichen Klostermedizin diente Cannabis unter anderem als Heilpflanze bei bronchialen und rheumatischen Leiden und noch im 19. Jahrhundert wurden Extrakte des Hanfs auch gegen Migräne, epileptischen Beschwerden und Schlafstörungen eingesetzt. Bekannt ist Cannabis heute aber vor allem aufgrund seines berauschenden Wirkstoffes THC, der in den Blüten der weiblichen Hanfpflanze enthalten ist.
Die Nutzung der Pflanze als Rauschmittel führte 1929 zum Verbot von Cannabis in Deutschland. Bis heute sind der Anbau, Handel, Erwerb und Besitz von THC-haltigen Cannabispflanzen und deren Teilen verboten, mit einigen wenigen Ausnahmen. Am bekanntesten ist sicherlich die Grauzone rund um den Eigenbedarf: Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 kann auf eine strafrechtliche Verfolgung verzichtet werden, wenn nur geringe Mengen von Cannabisprodukten festgestellt werden, wobei die genaue Handhabe im Ermessen der Behörden liegt. Zudem gab es nach und nach Änderungen, die den medizinischen Gebrauch von Cannabis betreffen. Waren zunächst Ausnahmegenehmigungen erforderlich, wurde 2017 zumindest für Schwerkranke eine gesetzliche Möglichkeit geschaffen, Cannabismedikamente auf Rezept in Apotheken zu erhalten, wenn deren Gebrauch von ärztlicher Seite verschrieben wird.
Rund um das Potenzial der Cannabispflanze hat sich in den letzten Jahren zudem ein weiterer Markt etabliert: die Nutzung des auch als CBD bekannten Wirkstoffes Cannabinoid, der wie das THC aus dem Hanf gewonnen wird. CBD wird eine entspannende, entzündungshemmende, schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben. Da die Substanz jedoch nicht berauscht, fällt sie nicht unter die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes. Händler müssen bislang allerdings darauf achten, in welcher Form und unter welchen Bezeichnungen sie ihre CBD Produkte anbieten, um einen tatsächlichen Gebrauch oder eine juristische Einstufung als Rauschmittel von vornherein auszuschließen. Insbesondere Restmengen von enthaltenem THC in den CBD Hanfblüten oder CBD Lebensmitteln sind hier von Bedeutung. Oft sind auch die Beschreibungen und Gebrauchshinweise der Produkte vage gehalten, um keine rechtliche Angriffsfläche zu bieten.
Die Pläne der neuen Regierung
Alle drei Parteien der neuen Regierung befürworteten in Ihren Wahlprogrammen die Legalisierung einer regulierten Freigabe von Cannabis an Erwachsene. So überrascht es nicht, dass sie in den Koalitionsverhandlungen vereinbart haben, lizenzierten Händlern zu ermöglichen, Cannabis auch als Rauschmittel („zu Genusszwecken“) abzugeben. Ob dies nur Apotheken sein werden oder auch spezielle Cannabishändler, bleibt abzuwarten. Wie bei Alkohol und Nikotinprodukten auch wird es harte Regelungen für Werbung und Marketing geben. Zudem sollen die gesellschaftlichen Auswirkungen der Legalisierung aufmerksam verfolgt und nach vier Jahren evaluiert werden. Die konkreten Schritte der Ampelkoalition sind noch nicht bekannt, es ist aber auf Grundlage der bisherigen Verlautbarungen davon auszugehen, dass die Regierung eher behutsam als überstürzt vorgehen wird.
Erfahrungen aus anderen Ländern
Cannabis wird bereits in anderen Ländern legal produziert, gehandelt und konsumiert. Auf der Grundlage der dortigen Erfahrungen lassen sich aus gesundheitspolitischer Sicht wegen des kurzen Beobachtungszeitraumes leider noch keine belastbaren Schlüsse ziehen. In Kanada beispielsweise zeichnet sich ab, dass sich die Verbreitung der Droge in der Gesellschaft nicht signifikant geändert hat. Dafür bezieht nun aber die überwältigende Mehrheit der Nutzer ihr Cannabis über legale Händler, was eine bessere Kontrolle, über die insgesamt im Umlauf befindliche Menge und Qualität erlaubt. Dieser positive Effekt einer Legalisierung ist auch hierzulande zu erwarten.
Der gegenwärtige Bedarf in Deutschland wird auf hunderte Tonnen Cannabis pro Jahr geschätzt. Daraus wird ein neuer, transparenter Markt von mehreren Milliarden Euro Umsatz entstehen. Schon bei der Legalisierung von medizinischem Cannabis 2017 hat sich gezeigt, dass kanadische Firmen bei der Erschließung des deutschen Marktes ganz vorn dabei waren. Da Cannabis für medizinische Zwecke in Kanada nämlich bereits seit gut zwanzig Jahren angebaut werden darf und 2018 komplett legalisiert wurde, ist dort eine ganze Wirtschaftsbranche um das Rauschmittel entstanden ist, die auch die Entwicklung in anderen Ländern aufmerksam verfolgt. Bei der Öffnung des neuen milliardenschweren Marktes in Deutschland werden etablierte ausländische Firmen daher eine große Rolle spielen.
Auch Chancen und Risiken für die CBD-Branche
Wahrscheinlich wird es zwischen dem neuen Markt für legale THC-haltige Hanfprodukte und dem bereits bestehenden Handel mit CBD Produkten Wechselwirkungen geben. Immerhin wird für beide derselbe pflanzliche Rohstoff genutzt und auch die Zielgruppen von Konsumentinnen und Konsumenten überschneiden sich.
Denkbar ist, dass manche Anbieter zukünftig die gesamte Palette von Cannabiserzeugnissen anbieten werden. Hierbei können die deutschen Unternehmen der CBD Branche zwar auf ihre gewachsenen Kundenbeziehungen aus den letzten Jahren aufbauen. Sie werden es gegen kapitalstarke ausländische Cannabisproduzenten aber schwer haben. Umgekehrt könnte es für die Akteure aus Kanada oder den USA reizvoll sein, ihre Erzeugnisse zunächst durch eine Kooperation mit deutschen Verkäufern als heimisch anmutende Marken zu platzieren. Langfristig könnte es aber durchaus zu Verdrängungskämpfen kommen.
Vielleicht wird für die Konsumenten und Produzenten von CBD Ölen, CBD Blüten und anderen Produkten manches aber auch einfacher werden. Nach einer Legalisierung von Cannabis als Rauschmittel können auch andere Hanfprodukte offen angeboten werden, welche die bisher sehr niedrigen THC-Grenzwerte überschreiten und eine kombinierte Anwendung beider Wirkstoffe wird möglich.
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