Die Legalisierung von Cannabis ist ein Prozess, der verschiedene Formen annehmen kann.
Manchmal passiert er fast unvermittelt und auf allen Ebenen, wie in Colorada, USA – dann werden Gebrauch, Besitz, Handel und Anbau von Cannabis kollektiv legalisiert und zu einem offensiv geförderten (und besteuerten) neuen Wirtschaftszweig erklärt.
Oder er findet graduell statt. Typische Symptome einer schrittweisen Cannabis Legalisierung sind, wenn Besitz und Konsum geringer Mengen in der juristischen Praxis nicht mehr geahndet und gleichzeitig der medizinische Gebrauch immer unbürokratischer und für mehr Menschen möglich gemacht werden.
Diesen Weg scheint die Legalisierung von Cannabis in Deutschland gerade zu nehmen – und 2016 könnte das Jahr des Durchbruchs in dieser Hinsicht sein. Ich schreibe: „könnte“, denn was nach beginnender Cannabis Legalisierung aussieht, mag in politischer Realität eine intelligent getarntes Hinauszögern tatsächlicher Weed-Freiheit sein.
Der Status Quo ist eine Zweiklassenmedizin
Dass Cannabis bei verschiedensten Erkrankungen erfolgreich therapeutisch eingesetzt werden kann, bestreitet niemand mehr. In Deutschland kann Cannabis seit 2011 vom behandelnden Arzt verschrieben werden – allerdings ist der Weg bis zu einer diesbezüglichen Genehmigung bürokratisch verzwickt und beschwerlich. Etwa 360 Patienten sind ihn bisher gegangen und dürfen nun auf Rezept kiffen, ohne sich strafbar zu machen – es gibt also so etwas wie eine medizinische Legalisierung von Cannabis in Deutschland.
Allerdings können sich viele Patienten die Behandlung schlicht nicht leisten – denn die Krankenkasse erstatten die Behandlung mit Cannabis nicht. Dadurch entsteht eine Zweiklassenmedizin, die vor allem im Hinblick auf die eigentlich völlig erschwingliche Grundsubstanz (nämlich natürlich wachsende und anschließend getrocknete Cannabisblüten) völlig unnötig sein sollte.
Hinzu kommt, dass der Index an Krankheiten, für die eine Cannabis Behandlung genehmigt wird, relativ überschaubar ist. Dazu gehören Krebspatienten, an Aids und Multiple Sklerose Erkrankte und Menschen mit chronischen Schmerzen und Muskelerkrankungen. Tatsächlich aber hilft Cannabis nachweislich noch bei vielen anderen Symptomen, wie Erfahrungen aus Ländern zeigen, in denen die Cannabis Legalisierung fortgeschrittener ist – so etwa bei Patienten mit Tourette-Syndrom oder präventiv gegen Nebenwirkungen bestimmter anderer Medikamente im Magen, bei Allergien und Grünem Star, ADHS und Depressionen und sogar zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit.
Wird 2016 das Jahr der Cannabis Legalisierung für alle Patienten in Deutschland?
Diese finanzielle Benachteiligung jener Patienten, deren Einkommen nicht zur Deckung (beispielhaft) einer Schmerztherapie mit Cannabis im Kostenrahmen von 1.500 Euro monatlich ausreicht, soll 2016 ein Ende haben. Von der Bundesregierung gebilligt, wird die Cannabis Legalisierung in Deutschland in diesem Jahr drei entscheidende Schritte nach vorne tun:
– mehr Patienten sollen Zugang zu Cannabis Therapien erhalten
– austherapierten Patienten soll die Beschaffung unterschiedlicher Cannabis-Präparate erleichtert werden
– die Krankenkassen sollen die Behandlungskosten mit THC erstatten
Damit würde die Legalisierung von Cannabis in Deutschland anderen, bereits erfolgreich praktizierten Modellen weltweit folgen. In den Niederlanden etwa ist eine direkte Behandlung mit Cannabisblüten nicht nur durchgehend zugelassen, sondern wird von den Krankenkassen auch erstattet. In Kanada und Israel liegen die Preise für Cannabisprodukte deutlich unter den deutschen. In Spanien wiederum ist Cannabis-Eigenanbau zur Selbsttherapie erlaubt.
Der Staat wird zum „Dealer“ – nach UN-Konvention
Eines der praktischen Probleme, vor allem beim Konsum von natürlichen Cannabisblüten durch Apotheken, ist der stockende Nachschub. Auch damit diese logistische Herausforderung gemeistert werden und für die Kassen günstig gedeckt werden kann (so jedenfalls lautet einer der offiziell gehandelten Gründe), hat die Bundesregierung nun den Anschub einer staatlich kontrollierten Cannabis-Produktion in Deutschland angestoßen.
In Zukunft soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Anbau von THC-haltigem Hanf in Deutschland verantworten. Zu diesem Zweck wird höchstwahrscheinlich innerhalb des Instituts eine „Cannabis-Agentur“ eingerichtet.
Was sich leicht obskur anhört, ist tatsächlich supra-nationale Verpflichtung. Jeder UN-Staat, der eine Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken anstrebt, muss eine derartige „Cannabisagentur“ einrichten – so schreibt es Das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel (engl. Single Convention on Narcotic Drugs) vor.
Diese UN-Konvention gegen narkotische Drogen wurde 1961 beschlossen, 1972 nochmals erheblich ergänzt und bindet über 180 Mitgliedsstaaten in Form eines völkerrechtlichen Vertrags.
In vielen Fällen, wie auch im Falle der Legalisierung von Cannabis in Deutschland, schreibt das Einheitsabkommen einen Großteil der nationalen Betäubungsmittelgesetze vor. Darunter fällt auch der staatliche Umgang mit Opium, Coca und Cannabis. Deren Legalisierung, so sie denn eine Herstellung im Land einschließt, kann nur durch Gründung einer nationalen Agentur („National Agency“ umgesetzt werden.
Im Vertragstext (siehe Link, eine SEHR lesenswerte Lektüre für jeden, der sich mit dem Rahmen einer möglichen Cannabis Legalisierung in Deutschland beschäftigt) steht wörtlich:
Artikel 23 – Staatliche Opiumstellen:
Gestattet eine Vertragspartei den Anbau von Opiummohn zur Gewinnung von Opium, so errichtet sie, wenn dies nicht bereits geschehen ist, und unterhält eine oder mehrere staatliche Stellen (in diesem Artikel als „Stelle“ bezeichnet) zur Wahrnehmung der in diesem Artikel vorgesehenen Aufgaben.
Die Stelle bezeichnet die Gebiete und Landparzellen, auf denen der Anbau von Opiummohn zur Gewinnung von Opium gestattet wird; nur Anbauer, die einen Genehmigungsschein der Stelle besitzen, dürfen den Anbau betreiben; in jedem Genehmigungsschein ist die Größe der Fläche anzugeben, auf welcher der Anbau zulässig ist; alle Anbauer von Opiummohn haben die gesamte Opiumernte an die Stelle abzuliefern. So bald wie möglich, spätestens jedoch vier Monate nach Beendigung der Ernte, kauft die Stelle die geernteten Mengen und nimmt sie körperlich in Besitz; die Stelle hat in Bezug auf Opium das ausschließliche Recht der Ein- und Ausfuhr, des Großhandels und der Unterhaltung von Beständen mit Ausnahme derjenigen, die von Personen unterhalten werden, welche Opiumalkaloide, medizinisches Opium oder Opiumzubereitungen herstellen. Die Vertragsparteien brauchen dieses ausschließliche Recht nicht auf medizinisches Opium und Opiumzubereitungen zu erstrecken. Die in Absatz 2 bezeichneten staatlichen Aufgaben werden von einer einzigen staatlichen Stelle wahrgenommen, sofern die Verfassung der betreffenden Vertragspartei dies zulässt.
Dabei bezieht sich dieser Absatz ausdrücklich auch auf den Anbau von Cannabis („Der Ausdruck „Anbau“ bezeichnet den Anbau des Opiummohns, des Kokastrauchs oder der Cannabispflanze“).
Österreich, den Niederlanden, Kanada und den USA betreiben bereits Cannabis-Agenturen (Indien und die Türkei außerdem Opium-Agenturen).
Die staatlich kontrollierte Cannabis Legalisierung in der Praxis
In Zukunft werden unter deutschem Himmel Felder voller Hanf unbehelligt von plötzlich zuschlagenden „Zwangsernten“ gedeihen dürfen.
Klingt idyllisch, ist aber tatsächlich knallharte bürokratische Praxis, transparent bis zum letzten Samenkorn.
Im einzelnen wird das Weed-Management der Cannabis-Agentur wohl ungefähr so aussehen, darf man inoffiziellen Memoranden glauben schenken:
1.Die Cannabis-Agentur schreibt den voraussichtlichen Bedarf an Medizinalhanf nach den Vorgaben des Vergaberechts aus. Dieses wird noch ausgearbeitet werden; die UN-Richtlinien reichen dafür nicht aus.
2. Die Cannabis-Agentur vergibt in wettbewerblichen Verfahren Aufträge über die Belieferung mit Medizinalhanfsamen an Anbauer und schließt mit diesen zivilrechtliche Liefer- beziehungsweise Dienstleistungsverträge ab. Die Hersteller werden strenge Kontrollauflagen zu beachten haben ( wie etwa die Felder gegen „Diebstahl“ abgesichert sein sollen, diese Vorgaben erwarte ich mit Spannung).
3.Die Cannabis-Agentur legt den Preis fest, den die Krankenkassen für das an die Patienten abgegebene Präparat zu zahlen haben; in diesen einberechnet sind auch die dem Bund entstehenden Kosten für die eigene Arbeit, sprich den Unterhalt der Agentur.
4.Der Medizinalhanf wird anschließend vor allem an Hersteller von Cannabis-Arzneimitteln, Großhändler und Apotheken verkauft.
Was bedeutet diese Neuregelung nun für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland per se? Um hier realistische Vermutungen anzustellen, ist ein Blick hinter die Kulissen seiner Entstehung hilfreich.
Das Projekt „Cannabis-Agentur“ war ein Vorstoß der CSU. Äh, wie bitte?
Eingebracht hat den Vorschlag zur medizinischen Cannabis „Legalisierung“ in Deutschland die Drogenbeauftragte des Bundes, Marlene Mortler (CSU).
Moment mal, eben dieselbe, auf deren Webseite klar und deutlich steht „Cannabis, Marihuana und Co. – Warum eine Legalisierung nicht vertretbar ist“? Dieselbe, die einen bundesweit einheitlichen Schwellwert von sechs Gramm Cannabis einführen will, der noch als „Eigenbedarf“ vor Gericht deklarierbar ist – während die Mindestmenge momentan vom Bundesland abhängig ist; in Berlin werden etwa bis zu 15 Gramm toleriert. Eben diese.
Hinzu kommt, dass Mortler der CSU angehört, einer Partei, für die die Legalisierung von Cannabis in Deutschland scheinbar gleichbedeutend mit der Apokalypse ist. Und nun war es also Marlene Mortler, die den Impuls für eine staatlich kontrollierte und organisierte Cannabis Produktion gegeben hat.
Politisch betrachtet ist dies allerdings kein besonders riskanter Schritt, denn sie weiß den Mainstream der Bürger hinter sich: 82 Prozent der Bevölkerung, darunter auch viele Konservative, befürworten inzwischen die Legalisierung von Cannabis zur medizinischen Verwendung.
Hier ist also offensichtlich etwas im Busch.
Wäre der Gesetzesentwurf von den Linken oder Grünen gekommen, hätte es sich um einen realistischen Schritt hin zu einer schlussendlich flächendeckenden Legalisierung von Cannabis in Deutschland handeln können. So aber muss Frau Mortler sich gedacht haben, dass diese Lösung aus irgendeinem Grund immer noch besser ist als die mit Sicherheit andernfalls eintretende Alternative.
Genauso ist es auch.
2014 gingen fünf Schwerkranke vors Kölner Verwaltungsgericht, weil sie Medizinalhanf selber anbauen wollten – sie konnten sich die teuren Apotheken-Präparate nicht leisten und klagten nun gegen das behördliche Anbauverbot.
Drei Klägern gab Richter Andreas Fleischfresser recht: Sie hätten alle verfügbaren Schmerztherapien erfolglos absolviert und ihre Wohnsituation ließ einen verantwortungsvollen Anbau zu. Gleichzeitig kritisierte Fleischfresser die Politik offen, ohne dabei aber für eine allgemeine Legalisierung von Cannabis in Deutschland einzutreten. Seine Entscheidung stelle nur eine Notlösung dar, so der Richter; das Problem sei die ungeklärte Kostenfrage aufgrund der Verweigerung der Übernahme duch die Kassen. „Das zu lösen, wäre für den Gesetzgeber eigentlich ein Leichtes.“
Das Gesundheitsministerium wurde in Folge hart angegangen. Die Politik und vor allem Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gerieten in Handlungszwang. Zwar war der Richterbeschluss fallabhängig und wurde nur in drei der fünf Fälle ausgesprochen. Dennoch stellte er einen Dammbruch dar, das wurde auch der Bundesregierung klar. Denn die Schadensbegrenzung aus Sicht der Politik lag einzig am eingeschränkten Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichtes.
CDU und CSU wurde klar: Die Frage nach der Legalisierung von Cannabis hatte plötzlich eine andere Färbung angenommen. Hier ging es in den Augen der Öffentlichkeit nicht länger um ein Genussmittel, dass die Jugend „verdirbt“, sondern um Kranke, die sich selber nicht helfen dürfen.
2016 wird ein Wettlauf zwischen Legislative und Legalize Weed
Nun wird die medizinische Legalisierung von Cannabis durch Anbau in Deutschland ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Politikern und Konsumenten.
2016 könnten sich bereits genug Kläger an das Bundesverwaltungsgericht wenden und das Recht auf Eigenanbau gewonnen haben, um eine Lawine an eigentlich nicht abwendbaren Antragstellungen an die Bundesopiumstelle auszulösen. Für die Bundesregierung wäre dies ein Worst-Case-Szenario, käme es doch einem Einfallstor für die gesamte Cannabis Legalisierung gleich.
Deshalb muss das Parlament in der ersten Jahreshälfte 2016 darauf gedrängt werden, die notwendigen Änderungen am Betäubungsmittelgesetz zu beschließen, um eine Cannabis-Agentur an den Start zu bringen und den Anbau von Cannabis zu legalisieren – in staatlichen Händen. Nur so kann eine Genehmigung zum flächendeckenden Eigenanbau noch verhindert werden. Und damit wären wir beim wahren Grund, warum das neue Gesetz zur „Cannabisagentur“ 2016 gültig werden wird.
Was aber bedeutet das für die Cannabis Legalisierung in Deutschland in der Zukunft?
Ist diese teilweise Legalisierung von Cannabis gleichzeitig der Todesstoß?
Ist dieser scheinbare Schritt nach vorne also eher ein riesiger Rückschritt für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland? Wird hier ein Kontrollmonopol geschaffen, um eine Cannabis Legalisierung als Genussmittel noch unmöglicher zu machen? Auf den ersten Blick kann es so aussehen – denn fast alle Vorteile der neuen Regelung liegen auf Regierungsseite.
Sie nimmt Aktivisten ein argumentatives Einfallstor, um auch konservativere Bevölkerungsanteile auf ihre Seite zu ziehen.
Sie ermöglicht es CDU und CSU, den Grünen und der Linken einen Spatz in der Hand zu präsentieren, der sie von der Taube auf dem Dach ablenkt.
Sie scheint einem möglichen Recht auf Eigenanbau den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die private Zucht ist dem Bund ein Dorn im Auge, kann dabei doch weder Qualität noch Menge wirklich kontrolliert werden – und der konstante Anblick von Weed in Nachbar’s Garten könnte einen Normalisierungseffekt nach sich ziehen. Auf diese Weise erscheint der Bund in Wähleraugen als Wohltäter, ohne jene Kritik auf sich zu ziehen, die eine Cannabis Legalisierung per se nach sich ziehen würde.
Sie ist die einzige tragbare, juristische Lösung. Auch die nachweislich beratend hinzugezogenen Juristen konnten nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Juli 2014 (Az: 7 K 4447/11) nicht mehr umhin, der Regierung eine partielle Legalisierung von Cannabis auf Krankenschein mit Kassenerstattung zu empfehlen (Der Gleichstellungsgrundsatz macht dies notwendig, wenn Bürgern aus finanziellen Gründen eine Behandlung verwehrt wird, die anderen offen steht, dabei aber grundsätzlich sehr preisgünstig zu haben wäre – und dem nur eine Gesetzesänderung im Weg steht). Zu groß ist die Gefahr, dass ansonsten das Recht auf Eigenanbau endgültig und erfolgreich vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeklagt würde.
Das Betäubungsmittelgesetz wird so weiter in Stein gemeißelt, statt grundsätzlich und radikal hinterfragt und reformiert zu werden.
Die „Legitimität“ von Anträgen muss nicht länger vom Staat entschieden werden, sondern liegt in den Händen der Krankenkassen. Das vermindert den Aufwand, wichtiger noch: Es macht weniger angreifbar.
Schlussendlich sind auch die finanziellen Langzeitvorteile dieser Form von staatlich kontrollierter Cannabis Legalisierung nicht irrelevant. Bei 350 Patienten sind die Einnahmen zwar grotesk klein. Doch das muss ja nicht so bleiben. Was hier geschieht, ist nichts anderes als der Aufbau eines staatlichen Pharmakonzerns in 2016 – dem auch ein Export nicht verwehrt ist.
Es gibt auch Vorteile für Konsumenten
Natürlich wäre am idealsten, wenn der Patient zwischen Eigenanbau und Staatszucht selbst auswählen könnte.
Nicht Jeder ist gerne Gärtner – und das Aufziehen von hochwertigem Cannabis ist eine komplexe (wenn auch befriedigende) Angelegenheit. Auch haben nicht alle Menschen den notwendigen Platz für die Selbstzucht, die entsprechend toleranten Mit- und Nebenbewohner und oder die notwendige akustische Toleranz für das konstante Hintergrundgeräusch der Ventilation, falls nötig.
Alle Investitionskosten einer guten Anlage eingerechnet, kostet das Gramm der ersten Ernte etwa 2,50 Euro; anschließend wird es natürlich preiswerter. Allerdings sind hier die Recherche- und Arbeitsstunden noch nicht eingerechnet.
In der Apotheke zahlt der Kunde laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände jetzt noch 15 bis 18 Euro pro Gramm. Dieser Preis ergibt sich aus Herstellerpreis, gegebenenfalls anfallenden Importkosten sowie der 100-prozentigen Apotheken-Gewinnspanne.
Ein klarer Vorteil bei Staatsanbau wären also stark gesenkte Preise sowie kontinuierliche Qualitätsüberprüfungen. Während es für Hobbygärtner jedenfalls in der Anfangsphase eine echte Herausforderung darstellt, hochprozentiges Cannabis in gleichbleibender Güte zu züchten, wäre dies beim Staatsanbau anders. Hier könnten die in medizinischem Cannabis durchschnittlichen
20+-Prozent THC-Gehalt garantiert werden. Das unter anderem auch deshalb, weil die holländische Cannabis-Behörde bereits ihre Hilfe und Erfahrung beim Aufbau einer deutschen Cannabis-Agentur zugesagt hat.
Insofern spräche im Zuge einer allgemeinen Legalisierung von Cannabis zu Genuss- und therapeutischen Zwecken einiges für eine bundeseigene Zucht – solange sie denn nur ein Anbieter unter vielen wäre. In der vorliegenden restriktiven Version allerdings fühlt es sich trotz der Vorteile mehr wie, ha,ha, Opium fürs Volk an – eine weitere, wenn auch mit Samt gepolsterte Fessel.
Die neue Rolle der Ärzte bei der Cannabis Legalisierung
Nun stellt sich natürlich die naheliegende Frage, wer nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes Anspruch auf durch die Kasse erstattetes Cannabis hat. Eine vorgegebene Liste von Indikationen, wie etwa in den USA, ist in Deutschland rechtlich nicht zulässig. Im Gesetz selbst wird es unmöglich sein, vorzugeben, welche Patienten von der teilweisen Cannabis Legalisierung profitieren dürfen und einen Anspruch auf Kostenerstattung durch die Krankenkassen haben und welche nicht. Schon heute kann Dronabinol vom behandelnden Arzt bei jeder Krankheit rezeptiert werden, wenn ein Behandlungserfolg realistisch ist und es keine Alternativen zu geben scheint.
Das bedeutet: Die Verwaltungsgerichte mögen nun zwar nicht länger mit Anträge auf Eigenanbau „belastet“ werden. Dafür kommen auf die Sozialgerichte eine Flut von Klagen zu, in denen auf eine Kostenübernahme von Cannabis als Medikament gepocht wird.
Es steht sehr zu hoffen, dass diese wenn auch sehr eingeschränkte Legalisierung von Cannabis auch mehr Ärzte dazu motiviert, Dronabinol und Sativex zu verschreiben. Dabei steht ihnen höchstwahrscheinlich eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen bevor.
Verantwortungsvolle Ärzte werden sich aber darüber im Klaren sein, dass mit einer zunehmenden, positiven Erfahrungslage im Umgang mit Cannabis auch das Klima im Hinblick auf eine allgemeine Cannabis Legalisierung verbessern wird und wertvolle, statistische Daten zur therapeutischen Wirkung von THC generiert werden.
Tatsächlich ist die Kooperationsbereitschaft der Ärzte enorm wichtig, da nun die Option des Cannabis Eigenanbaus für ihre Patienten wegfällt. Sie müssen deshalb bereit sein, genau die Menge zu verschreiben, die der Patient benötigt – auch wenn dies 2000 mg Dronabinol sein sollten und ihre bisherige Höchstdosis für Rezepturen bei 500 mg monatlich lag, wie es oft der Fall ist.
Hinzu kommt die Problematik Dronabinol versus Cannabisblüten. Viele Patienten empfinden den Konsum Letzterer als angenehmer und wirksamer. Müssen nach dem neuen Gesetz alle bisherigen Bezieher von natürlichem Cannabis auf Medikamente umsteigen? Denn oft wurde die Erlaubnis zum Bezug der preiswerteren Blüten nur erteilt, weil der Patient sich die Medikamente nicht leisten konnte – dieses Argument fällt nach der neuen Regelung durch die Krankenkassenerstattung weg. Auch hier müssten es die Ärzte sein, die Überzeugungsarbeit zu leisten hätten.
Und sie stehen nicht nur in diesem Fall als argumentatives Bollwerk da, welches für das Patientenwohl alles entscheiden kann. Schließlich sind sie es, die darlegen können und müssen, ob ihr Patient alle anderen verfügbaren Therapieformen ausgeschöpft hat – denn nur dann steht ihm oder ihr ja Cannabis als Medikament zur Verfügung.